„Fragen Sie mal Ihre Töchter“ – Was steckt hinter der Merz-Aussage wirklich? | Weiden24

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In Weiden fand am Freitag eine Protestaktion statt. (Bild: mcl)
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In Weiden fand am Freitag eine Protestaktion statt. (Bild: mcl)

„Fragen Sie mal Ihre Töchter“ – Was steckt hinter der Merz-Aussage wirklich?

Bundeskanzler Friedrich Merz steht nach einer Aussage zu Migration und Sicherheit in der Kritik. Dabei wird das Thema Gewalt gegen Frauen hervorgehoben. Mehrere Demonstrationen wurden als Reaktion organisiert – auch in der Oberpfalz.

Was hat Friedrich Merz eigentlich gesagt?

Bundeskanzler Friedrich Merz hat bei einem Termin über Migration, Abschiebungen und Sicherheit gesprochen und dabei eine Aussage gemacht, die viele als abwertend und gefährlich sehen.


„Bei der Migration sind wir sehr weit. Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August 24, August 25 im Vergleich um 60 Prozent nach unten gebracht. Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“

Bundeskanzler Friedrich Merz

Friedrich Merz stellte einen Zusammenhang her zwischen Migration, einem angeblichen Problem im Stadtbild und der Notwendigkeit von mehr Abschiebungen. Als ein Journalist bei einem weiteren Termin nachfragte, ob Merz diese Aussage zurücknehmen wolle, antwortete Merz:


„Ich habe gar nichts zurückzunehmen. Im Gegenteil, ich unterstreiche es noch einmal. Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte. Vermutlich bekommen Sie eine ziemlich klare und deutliche Antwort.“

Bundeskanzler Friedrich Merz

Merz erklärte später, dass er über öffentliche Sicherheit gesprochen habe und vor allem darüber, dass sich viele Frauen nach Einbruch der Dunkelheit unwohl fühlten. Er behauptete, dass viele Menschen seine Beobachtung teilten.

Wieso regen sich so viele über den Satz auf?

Merz' Aussage vermischt gleich mehrere Themen: Migration, Sicherheit im öffentlichen Raum und das Frauenbild in der Gesellschaft. Er spricht von „Töchtern” und nutzt Frauen so als Begründung für härtere Migrationspolitik. Viele sehen das als „Instrumentalisierung”.

Gegen Merz Aussage gehen sogar viele auf die Straße: Unter dem Motto „Wir sind das Stadtbild” oder „Wir sind die Töchter” demonstrieren Menschen gegen rassistische Untertöne und für ein anderes Frauenbild: selbstbestimmt, sichtbar und laut. In Weiden organisierte das „Bündnis für Frauenrechte” am Freitag eine Protestaktion unter dem Slogan „Wir sind die Töchter” in der Innenstadt, zu der knapp 40 Personen kamen.

In Regensburg plant die Linke eine Protestaktion am 1. November am Dachauplatz unter dem Motto „Wir sind das Stadtbild”. Zuvor hängte der Kreisverband Plakate mit Gegenmeinungen von Töchtern in der Stadt auf. „Wir haben uns im AK FLINTA Gedanken dazu gemacht und uns entschlossen, loszuziehen, um unsere Antworten gemeinsam in der Stadt zu verteilen”, sagt Zoe Mühl, die die Protestaktion mitorganisierte.

CSU stärkt Merz den Rücken

Auch aus den Reihen der CSU in der Oberpfalz gibt es Meinungen zur Aussage von Friedrich Merz. Peter Aumer, Bundestagsabgeordnete der CSU Regensburg, schrieb in einem offenen Brief an Merz.


Sie haben ausgesprochen, was viele Menschen in unserem Land empfinden - und was auch in meinem Wahlkreis Regensburg deutlich sichtbar ist.

Peter Aumer, Bundestagsabgeordneter der CSU Regensburg

Gerade im Umfeld des Regensburger Hauptbahnhofs werde die Problematik sehr konkret, schreibt Aumer: „Steigende Unsicherheit, zunehmende Konflikte im öffentlichen Raum und eine spürbare Belastung für Polizei und Ordnungsdienste.” Viele Menschen würden es „begrüßen, dass Sie dieses Thema offen ansprechen und die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen.”

Auch Benjamin Zeitler, Fraktionsvorsitzender der CSU in Weiden und Oberbürgermeister-Kandidat, bezieht Stellung: „Es geht um ausreisepflichtige junge Männer, die oft gewalttätig waren oder oft pöbeln. Ich glaube, da sind wir uns alle einig, dass das ein Thema ist, was wir lösen müssen. Umfragen zeigen ja, dass die Menschen das durchaus ähnlich sehen. Wir müssen den Leuten zuhören und dürfen das nicht wegignorieren.”

Fühlen sich Frauen wirklich unsicher?

Statistiken belegen: Ja, viele Frauen fühlen sich unsicher. Das liege aber nicht automatisch an Migration. Laut der Studie des Bundeskriminalamtes „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland” aus dem Jahr 2022 fühlen sich nur 33,3 Prozent der Frauen nachts im öffentlichen Nahverkehr „sehr” oder „eher sicher”. Bei Männern sind es knapp 60 Prozent. In der eigenen Wohngegend fühlen sich nachts 61 Prozent der Frauen sicher, aber 83 Prozent der Männer.

Wer sind die Täter*innen wirklich?

Laut BKA-Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Gewalt” gilt:

  • 2023 wurden 180.715 Frauen Opfer häuslicher Gewalt
  • Knapp 90 Prozent der Tatverdächtigen sind Männer
  • Über 52.000 Frauen wurden Opfer von Sexualstraftaten (Vergewaltigung, sexuelle Belästigung, Missbrauch etc.)
  • Bei Sexualstraftaten liegt der Anteil der männlichen Täter zwischen 95,5 und 98,9 Prozent (je nach Delikt)

In der Statistik wird zwischen deutscher und nicht-deutscher Herkunft unterschieden. Der überwiegende Teil (66 Prozent) der Täter*innen im Bereich Sexualstraftaten sind deutsche Staatsbürger*innen. Bei häuslicher Gewalt sind 63,3 Prozent der Täter*innen deutsch.

Wo passiert Gewalt gegen Frauen am häufigsten?

Vielen denken da an dunkle Straßen, nachts im Park. Doch laut der BKA-Studie stimmt das nicht so: 71 Prozent der schweren Sexualdelikte passieren in privaten Wohnungen, 21 im öffentlichen Raum – und nur ein Prozent der Taten wird überhaupt angezeigt.

Wie ist es bei uns in der Oberpfalz?

Auch regional sind die Zahlen eindeutig: Laut dem Lagebericht des Polizeipräsidiums Oberpfalz aus 2023 wurden 2.073 Fälle häuslicher Gewalt registriert – davon waren in über 70 Prozent der Fälle Frauen oder Mädchen Opfer. Von 1.781 Tatverdächtigen waren 76 Prozent Männer und 24 Prozent Frauen.

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